Draghi ist kein Politiker, sondern ein Staatsmann

Draghi ist kein Politiker, sondern ein Staatsmann

„Zehn Jahre Herausforderungen“ von Mario Draghi, gelesen von Tullio Fazzolari

Von der sogenannten Draghi-Agenda hören wir nichts mehr. Nicht einmal die politischen Führer erwähnen sie, die sie noch vor wenigen Monaten als eine Art Komet anriefen, dem sie folgen soll. Und vielleicht ist das auch gut so, weil man endlich besinnt, was wirklich wichtig war. Es war nicht die To-do-Liste, auf der die Entscheidungsspielräume recht gering waren und bleiben, vor allem die Methode bzw. der Stil von Mario Draghi, das Notwendige zu erreichen. Und wenn es dem ehemaligen Ministerpräsidenten gelungen ist, einen der schlimmsten Notfälle in der Geschichte Italiens erfolgreich zu bewältigen, liegt das Verdienst praktisch ganz in seiner Persönlichkeit und seiner Art zu handeln. Es hilft, sie besser kennenzulernen „ Zehn Jahre der Herausforderungen “ (Treccani, 292 Seiten, 25 Euro), das Draghis Schriften und Reden von den Tagen des Palazzo Chigi bis März 2011 sammelt, als er noch Gouverneur der Bank von war Italien und nur wenige Monate, bevor er Präsident der Europäischen Zentralbank wird.

Es war ein schwieriges Jahrzehnt mit unendlichen Problemen: von den mehr oder weniger oberflächlichen Kontroversen um die einheitliche Währung über die Wirtschaftskrise, die die Notwendigkeit einer Wachstumsförderung auferlegt, bis hin zur russischen Aggression gegen die Ukraine. Jedes Thema wird von Draghi entsprechend der Rolle, die er gerade innehat, mit Konferenzen und in einigen Fällen mit in der "Financial Times" veröffentlichten Leitartikeln behandelt. Berühmt bleibt die Rede „Whatever it takes“, mit der Draghi 2012 die Gültigkeit des Euro bekräftigte, aber auch die Notwendigkeit unterstrich, seine Rolle mit dem Bild einer Hummel anzupassen, die fliegen konnte, sich nun aber verwandeln muss eine Biene. Auch wenn es viele Themen gibt, gibt es immer einen roten Faden, der sie verbindet, und es ist der Ansatz des Beamten, der Person, die versucht, der Institution, die sie vertritt, am besten zu dienen. Und das ist am Ende genau der Draghi-Stil.

Was Lionel Barber schreibt, einer der maßgeblichsten britischen Journalisten und ehemaligen Direktor der „Financial Times“, verdient eine gesonderte Betrachtung, der Mario Draghi im Vorwort zu „Ten Years of Challenges“ zu den illustren Technikern zählt, die Politiker geworden sind. Absolut legitime Meinung, aber wenn man an den Verlauf der Ereignisse zurückdenkt, ist es auch legitim, einige Zweifel zu haben. Dass aus Draghi ein Politiker geworden ist, versuchen nicht er, sondern andere seit etwa einem Jahr glauben zu machen. Es ist wirklich nicht und nicht, weil es nie durch eine Volksabstimmung gegangen ist. Es liegt nicht an seiner Denkweise, denn er sucht keine Kompromisse, sondern Balancepunkte, weil er es gewohnt ist, wichtige Entscheidungen schon beim ersten Kaffee am Morgen zu treffen und nicht am späten Abend nach einem anstrengenden Verhandlungstag. Wie wir bei einigen Gelegenheiten gesehen haben, hat er nicht die Bosheit eines Politikers. Aber auch wenn Draghi kein Berufspolitiker ist, so hat er zweifellos das Format eines Staatsmannes. Also genau die perfekte Skizze für die Präsidentschaft der Republik. Wer auch immer seine Kandidatur für den Quirinale torpediert hat, hat Italien eine große Chance vertan.


Dies ist eine Übersetzung eines Artikels, der am Sat, 21 Jan 2023 09:27:00 +0000 im italienischen Blog Start Magazine unter der URL https://www.startmag.it/mondo/draghi-non-e-un-politico-ma-uno-statista/ veröffentlicht wurde.