Berlin fürchtet, dass die EU den subventionierten Strompreis für die Industrie, eines der zentralen Versprechen der ersten Phase der Merz-Regierung, stoppen könnte. Die Verhandlungen mit Brüssel laufen. Der Punkt
Die deutsche Regierung befürchtet ernsthaft, dass die EU-Kommission eines der zentralen Projekte ihrer Wirtschaftsstrategie blockieren könnte: die Einführung eines Vorzugsstrompreises für die Industrie . Dies berichtet das Handelsblatt, das Zugang zu einem als „vertraulich“ eingestuften internen Vermerk von Experten des Wirtschaftsministeriums erhalten hat. Das Dokument deutet darauf hin, dass Brüssel die Initiative mit der Begründung ablehnen könnte, sie verstoße gegen die Beihilfevorschriften.
Die Nachricht stellt einen möglichen Schlag für Bundeskanzler Friedrich Merz und Vizekanzler Lars Klingbeil dar, die die Maßnahme für unerlässlich halten, um den Niedergang der deutschen Industrie aufzuhalten und die wirtschaftliche Erholung zu unterstützen.
Eine Säule der deutschen Wirtschaftsstrategie
Der Plan, die Strompreise für energieintensive Unternehmen – etwa aus der Stahl-, Chemie- und Glasindustrie – zu deckeln, ist einer der Eckpfeiler der neuen Wirtschaftspolitik der schwarz-roten Koalitionsregierung. Die von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) nachdrücklich unterstützte Maßnahme soll dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen entgegenwirken, die seit langem unter hohen Energiekosten leiden. In den letzten Jahren haben viele Unternehmen aufgrund günstigerer Tarife einen Teil ihrer Produktion ins Ausland verlagert, was spürbare Folgen für Beschäftigung und Inlandsinvestitionen hatte.
Der Vorschlag wurde von den Experten des Ministeriums erarbeitet und Ende vergangener Woche Minister Reiche vorgelegt. Die Ministerin selbst verkündete ihn in ihrem ersten öffentlichen Interview mit dem Handelsblatt.
Das Dokument ist jedoch mit erheblichen Vorbehalten verbunden: Die Umsetzung des Plans, so heißt es in der Mitteilung, werfe „erhebliche Probleme im Rahmen der EU-Beihilfevorschriften“ auf. Der Widerstand innerhalb der Europäischen Kommission werde tatsächlich „erheblich“ sein, und die Chancen auf grünes Licht werden als „höchst ungewiss“ bezeichnet.
Das Engagement der Regierung und die Handlungsspielräume
Trotz der Schwierigkeiten will die Bundesregierung das Projekt nicht aufgeben. Reiche bekräftigte die Zusage der Bundesregierung, eine Reihe von Maßnahmen zur Senkung der Energiekosten für die Industrie umzusetzen. Sie erklärte: „Wir müssen jetzt alle geplanten Maßnahmen zur Senkung der Strompreise schnell umsetzen: Wir werden die Stromsteuer auf das europarechtlich vorgesehene Mindestniveau senken, Erleichterungen bei den Netzentgelten und -abgaben gewähren und mit der Europäischen Kommission über einen Strompreis für die Industrie verhandeln.“ Sie selbst räumte jedoch ein, dass der Weg steinig sein werde, da „es aus beihilferechtlichen Gründen nicht einfach sein wird“.
Bei einem Treffen mit der Exekutiv-Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Teresa Ribera Rodríguez, Anfang dieser Woche in Berlin bekräftigte der Minister die Notwendigkeit eines konstruktiven Dialogs mit Brüssel. Ziel sei es, eine nachhaltige Kostenobergrenze zu gewährleisten, ohne das Gleichgewicht des europäischen Binnenmarktes zu gefährden. Ribera ihrerseits versicherte die institutionelle „umfassende Zusammenarbeit“, betonte aber, dass die Vorzüge der einzelnen Maßnahmen noch nicht geprüft worden seien. Inzwischen berichten Quellen im Ministerium, dass Reiche den operativen Vorschlag noch nicht offiziell genehmigt habe, und das Ministerium zog es vor, sich nicht öffentlich zum Stand der Verhandlungen zu äußern.
BALANCE ZWISCHEN PRAGMATISMUS UND ÖKOLOGISCHEN ZIELEN
Katherina Reiche betonte, dass dringende Maßnahmen zur Senkung der Energiepreise nicht bedeuten, dass Deutschland seine Klimaziele zurückfahren wird. „Klimaschutz bleibt ein zentrales Ziel: Wir streben Klimaneutralität bis 2045 an“, sagte sie im Interview mit der Wirtschaftszeitung. Um dieses Ziel zu erreichen, sei jedoch „starker Pragmatismus“ erforderlich. Sie bekräftigte insbesondere, dass „Versorgungssicherheit und bezahlbare Preise wieder in den Mittelpunkt der Energiepolitik rücken“ müssten, und betonte die Notwendigkeit, die Industrie in dieser Übergangsphase zu unterstützen.
WETTLAUF MIT DER ZEIT
Die Bundesregierung sei sich bewusst, dass der Handlungsspielraum rapide schrumpfe, so das Handelsblatt. Ministeriumsvertreter warnten, die Zeit laufe davon und der Plan müsse „so schnell wie möglich“ mit Brüssel abgestimmt werden, um weitere Verzögerungen zu vermeiden. In einem zunehmend wettbewerbsorientierten internationalen Umfeld, in dem viele außereuropäische Volkswirtschaften mit einer aggressiveren Energiepolitik und niedrigeren Kosten rechnen können, könne sich Deutschland keinen Rückhalt leisten. Die angehäuften Verzögerungen hätten bereits großen Schaden angerichtet.
Für Bundeskanzler Merz hängt der Erfolg der Industriestrategie davon ab, ob es gelingt, die Energiekosten zu begrenzen, ohne die Nachhaltigkeitsziele aufzugeben. Das Projekt eines regulierten Industriestrompreises stellt in diesem Sinne eine entscheidende Bewährungsprobe dar: einen schwierigen Slalom im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftspolitik, europäischem Recht und Klimaambitionen.
Dies ist eine Übersetzung eines Artikels, der am Tue, 10 Jun 2025 05:41:49 +0000 im italienischen Blog Start Magazine unter der URL https://www.startmag.it/energia/tensioni-germania-ue-prezzo-energia/ veröffentlicht wurde.